Kevin Colbert – Der letzte Tanz

written by Daniel Stahl
5 · 24 · 22

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Im Alter von 65 Jahren, nachdem er 22 Jahre in entscheidender Funktion für die Pittsburgh Stellers gearbeitet hat, verabschiedet sich unser General Manager Kevin Colbert in den Ruhestand.

Der Weg von Kevin Colbert zu einem der besten Sportmanager des US Profisports war steinig und von persönlichen Schicksalsschlägen bereits in jungen Jahren geprägt. Kevin Colbert wuchs als jüngster von fünf Brüdern an der North Side von Pittsburgh auf. Seine Mutter starb als Kevin Colbert fünf Jahre alt war und sein Vater zehn Jahre später, was ihn im Alter von 15 Jahren zu einem Vollwaisen machte. Der älteste seiner  Brüder, Bud, wurde zu seinem Vormund.

Schon früh wurde er also damit konfrontiert wie hart das Leben sein kann und vielleicht gerade durch diese Erfahrungen konnte er mit Rückschlägen umgehen, ohne seine Ziele aus den Augen zu verlieren, auch wenn er dafür manchmal einen Umweg gehen musste.
Es warf ihn nicht aus der Bahn, dass er aus dem Basketballteam der North Catholic High School gestrichen wurde und er verlor nicht seinen Fokus als er an die Robert Morris University ging, um dort Baseball zu spielen – die Sportbegeisterung von Kevin Colbert war und ist eben vielseitig.
Er ergriff die Chance direkt nach seinem Abschluss Assistenz-Basketballtrainer bei Robert Morris zu werden, dort unter Cheftrainer Matt Furjanic zu lernen und die Spieler zu rekrutieren, die 1982 das allererste NCAA-Turnierteam der Colonials bildeten.
Es spielt keine Rolle, dass er bis zu seinem letzten Jahr bei North Catholic nie selbst Football gespielt hat und als Backup-Outside-Linebacker und Backup-Punter auch kein großes Talent war.
Das Alles hinderte ihn nicht daran mutig in die Welt der NFL einzusteigen.

Zunächst erhielt er einen Job beim Blesto-Scouting-Service, um ein Jahr später College-Scout bei Don Shula und den Miami Dolphins zu werden.
Ron Hughes, der Colberts Trainer bei North Catholic und 1990 der Director of Player Staff bei den Detroit Lions war, stellte ihn dort in der Funktion des Director of Pro Scouting ein.
Der Besitzer der Steelers, Dan Rooney, holte Colbert 2000 schließlich als Director of Football Operations (2010 wurde er zum ersten General Manager der Steelers ernannt) wieder zurück in seine Heimat, nachdem sein Vorgänger Tom Donahoe infolge eines Machtkampf mit Coach Bill Cowher nach der Saison 1999 entlassen wurde.
Cowher und Colbert, die beide aus West-Pennsylvania stammten, waren schnell auf einer Wellenlänge und umso länger die Zusammenarbeit zwischen beiden andauerte, desto mehr Respekt entwickelten sie füreinander. Obwohl sich Colbert einen hervorragenden Ruf als Talentscout erarbeitet hatte, und zwar unabhängig vom Team oder der Sportart, begeisterte Cowher vielmehr die Fähigkeit von Kevin Colbert den Menschen zuzuhören, um die richtigen Schlussfolgerungen aus den vielen Gesprächen abzuleiten.

Kevin Colbert hat in Zusammenarbeit mit dem Eigentümer Dan Rooney, Präsident Art Rooney II, Coach Bill Cowher und Coach Mike Tomlin u.a. die Teams zusammengestellt, die den Super Bowl XL und den Super Bowl XLIII gewannen. Trotz dieser Erfolge kann Colbert in einer der footballverrücktesten Städte der USA in fast jedes Restaurant gehen, ohne dabei sofort erkannt zu werden. Er drängte sich in seiner Karriere nie in den Vordergrund und nahm damit vorlieb die Strippen aus dem Hintergrund zu ziehen. Seiner Auffassung nach sollten nur die Besitzer, Spieler und der Headcoach sichtbar sein. Er hat kein Ego das es zu bedienen gilt und ist über die Jahre absolut authentisch geblieben, was ihn von so vielen im NFL-Geschäft unterscheidet. Seine Aufgabe lag darin die richtigen Spieler zu draften, zu traden oder zu verpflichten und dabei immer den Salary-Cap im Auge zu behalten. Das Alles verstand und verband er meisterhaft, auch wenn es dafür manchmal nötig war unpopuläre Entscheidungen zu treffen und sich bspw. von verdienten Spielern zu trennen, den bestmöglichen Gegenwert rauszuholen und gleichzeitig talentierten Ersatz zu finden.

Bei einem Team wie den Pittsburgh Steelers, die in einem verhältnismäßig kleinen Markt agieren, war ihm klar, dass er die namhaftesten Spieler der Free-Agency nur schwer rekrutieren kann und steckte daher auch nicht allzu viel Energie in diese Phase der Offseason. Er fokussierte sich vielmehr darauf das Team über den Draft und die dort verborgenem Diamanten konkurrenzfähig zu machen.
Diese Strategie verfolgte er beharrlich über seine gesamte Amtszeit in Pittsburgh hinweg und sie sollte sich auszahlen:
Seit Colbert die Draftauswahl bei den Steelers verantwortet, haben sie 21 Spieler gedraftet die es mindestens einmal mit ihnen in den Pro Bowl geschafft haben. Wenn man bedenkt, dass die Steelers jährlich in der unteren Hälfte des Boards – wenn nicht sogar ganz unten – mit ihrer Wahl an der Reihe waren, ist das eine bemerkenswerte Zahl.
Dabei bewies er nicht nur bei den Erstrundenpicks wie z.B. Troy Polamalu, Ben Roethlisberger, Cam Heyward, David DeCastro, oder T.J. Watt ein glückliches Händchen, sondern schaffte es auch immer wieder in den späteren Runden Spieler wie bspw. Antonio Brown, Brett Keisel, Le’Von Bell, Ike Taylor und Kelvin Beachum auszuwählen, die dann zu Startern geworden sind.
Einige der besten Moves von Colbert waren die Verpflichtungen von Rookies, um die sich kein anderes Team bemüht hatte. An der Spitze dieser Gruppe steht James Harrison, der sich erst im vierten Anlauf einen Platz im Roster erkämpfte und es schließlich sogar zum Defensive Player oft the Year gebracht hat.
Colbert legt in seiner Wahl für einen Spieler sehr viel Wert darauf, dass dieser auch charakterlich zur Franchise passt, mit einer guten Arbeitseinstellung ausgestattet ist und dessen Fokus vollkommen auf Football liegt. Diesen Faktoren eine derart große Gewichtung beizumessen und unmittelbar in den Entscheidungsprozess einzubeziehen ist vielleicht sein größtes Erfolgsgeheimnis.


Die typische Colbert-Bescheidenheit zeigte sich auch als er Teampräsident Art Rooney II letztes Jahr mitteilte, dass dies seine letzte Saison als General Manager sein würde. Kein großes Aufheben darum oder eine inszenierte Abschiedstournee, vor allem, weil er zu beschäftigt damit war, das zu tun, was er seit 2000 jedes Jahr mit den Steelers getan hat – die Vorbereitung auf den NFL-Draft.

In diesem letzten Tanz wählte Colbert in Kenny Pickett, nach Ben Roethlisberger (2004), den zweiten Erstrunden-Quarterback seiner Amtszeit aus, in der Hoffnung wieder einen Franchise-QB zu erhalten der die nächsten Jahre der Pittsburgh Steelers prägen wird.

Voraussichtlich wird Colbert in reduzierter Kapazität im Team bleiben, nachdem ein neuer General Manager ernannt wurde. Das hat zweierlei Grunde: Die Spieler, die die Steelers in der Free-Agency verpflichtet haben und die, die im Draft gezogen wurden hat Colbert zu verantworten. Daher ist es durchaus sinnvoll, dass Colbert diesen Prozess weiterhin mit begleitet. Außerdem trägt es zu einem nahtlosen Übergang und einer reibungslosen Einarbeitung des neuen General Manager bei.
Auch wenn die Fußstapfen die Kevin Colbert hinterlässt kaum größer sein könnten, so hoffen wir dennoch, dass sein Nachfolger an die Erfolge seines grandiosen Vorgängers anknüpfen kann.

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