Fast schon lässig joggte Minkah Fitzpatrick 35 Sekunden vor dem Ende des Spiels in Atlanta ins Seitenaus, nachdem er die siegbringende Interception gefangen hatte. Pittsburghs Nummer 39 hatte die Augen von Falcons-Quarterback Marcus Mariota das gesamte Play über gelesen und sprang mit perfektem Timing in den Pass, der für Drake London gedacht war. Ballgame, 19:16, der zweite Sieg für die Steelers in Folge – erstmals in dieser Saison.
Dass es am Ende überhaupt so knapp wurde, fühlt sich aus Steelers-Sicht ziemlich unnötig an. Vor allem, wenn man auf die erste Hälfte blickt. Die Steelers hatten dort fünf Possessions und kamen ohne Punt aus. Sie erzielten 239 Yards Raumgewinn (die meisten in der ersten Hälfte seit Woche 5 der vergangenen Saison). Sie verwandelten 62,5 Prozent der Third Downs in ein First Down. Sie hatten den Ball für über 19 der 30 Minuten. Und doch stand es zur Pause nur 16:6.
Denn obwohl die Offense um Kenny Pickett und ein inzwischen solides Laufspiel den Ball sehr gut bewegen kann, wird sie immer schwächer, je näher sie an die gegnerische Redzone herankommt. „Herankommt“ deshalb, weil die einzige Redzone-Possession in der ersten Hälfte in einem Touchdown mündete. Quote 100 Prozent.
Der Touchdown war übrigens ein ganz besonderer: Pickett bediente Connor Heyward mit einem Pass über 17 Yards. Heywards erster NFL-Touchdown und das in Atlanta, in dessen Nähe er aufgewachsen war, wo sein Vater Craig in der NFL gespielt hatte und wo dieser gestorben war. Am Morgen des Spiels waren Connor und Bruder Cam gemeinsam am Grab des Vaters gewesen. Cam trug nach dem Spiel auf der Pressekonferenz Craigs altes Trikot. „Ich mag es nicht, Mr. Softy zu sein, aber das (Connors Touchdown, Anm.) hat mich echt berührt“, meinte Cam da. Zudem waren sich die ersten NFL-Touchdowns von Craig und Connor Heyward sehr ähnlich.
Twitter Video, Vergleich Connor Heywar Touchdown mit seinem Vater
Twitter Video von den Steelers dazu
Darüber hinaus blieb die Offense aber dreimal kurz vor der Redzone stecken, sodass Kicker Matthew Wright zwei Field Goals aus 46 Yards sowie ein weiteres aus 48 Yards versuchte und glücklicherweise verwandelte. Der fünfte Ballbesitz beendete die Hälfte. Die Gründe für die Stagnation waren wie immer vielfältig; mal waren es schlechte weil durchschaubare Playcalls, mal schlechte Ausführung. Pickett ließ einige gute Gelegenheiten liegen, darunter einen Touchdown-Pass zu Pat Freiermuth. Diontae Johnson droppte einen Pass für ein sicheres First Down und George Pickens war überhaupt nicht eingebunden. So ließ sich offensiv viel Gutes mitnehmen, doch die 16 Punkte waren einfach zu wenig.
Defensiv lag der Fokus ganz klar darauf, das Laufspiel der Falcons zu unterbinden. Das gelang, denn eine der besten Rushing-Offenses der Liga brachte gerade einmal 28 Yards zustande. Quarterback Mariota lief nicht ein einziges Mal selbst. Stattdessen versuchte es Atlanta häufiger durch die Luft und hatte gerade über Drake London auch mal Erfolg, doch unter dem Strich zeigten sich Mariotas Limitierungen gerade beim tiefen Pass. Mehr als zwei lange Field Goals durch Younghoe Koo (50 und 51 Yards) ließen die Steelers nicht zu.
Anders in Hälfte zwei. Plötzlich konnten die Falcons den Ball sehr wohl auf dem Boden bewegen und erzielten damit nach der Pause ganze 118 Yards. Im ersten Drive hatten die Steelers noch ein wenig Glück, dass ein Delay of Game aus einem 3rd&6 ein 3rd&11 machte und Mariotas tiefer Pass mal wieder unvollständig war. Die Offense antwortete darauf mit einem langen Drive und wenigstens einem Field Goal durch Wright aus 33 Yards, der auf 19:6 stellte. Doch danach übernahmen die Hausherren das Kommando.
Im folgenden Drive liefen die Falcons die Steelers in Grund und Boden und überbrückten in vier Minuten mit acht Plays 75 Yards. Sieben davon waren Runs, das achte dann ein 7-Yard-Pass auf MyCole Pruitt zum Touchdown. Direkt danach gingen die Steelers Three-and-out – zum Glück, muss man sagen. Denn beim Pass auf Diontae Johnson bei Third Down wurde zunächst auf Fumble entschieden, den die Falcons an der 34 der Steelers eroberten. Nach einem Review wurde aber auf Incomplete Pass entschieden und die Steelers konnten punten.
Doch das änderte nichts an Atlantas Überlegenheit in dieser Phase. Wieder liefen sie den Ball nach Belieben und hatten ihn für ganze 9:21 Minuten. Cordarelle Patterson erreichte per Lauf sogar die Endzone aus zehn Yards, wegen eines Holdings wurde der Touchdown aber zurückgenommen. Kurz darauf leisteten sich die Falcons auch noch einen False Start, sodass es nun 2nd&Goal von der 22 hieß. Das zwang Mariota wieder zum Passen und der bei Third Down auf London in die Endzone war Incomplete. Arthur Maulet, der den Rookie hier gecovered hatte, hatte ein wenig Glück, dass nicht auf Defensive Pass Interference entschieden wurde. Falcons-Coach Arthur Smith war außer sich, musste letztlich aber das Field Goal nehmen, um auf 16:19 zu verkürzen. 5:27 Minuten waren da noch zu spielen.
Die Steelers-Offense konnte den Ball anschließend gut bewegen und fast fünf Minuten von der Uhr nehmen. An der 35-Yard-Linie der Falcons kam der Drive schließlich zum Erliegen – und Coach Tomlin schickte die Punting-Unit aufs Feld. Manch einer mag sich gewundert haben, doch Wright hat sich bisher nicht als so sicherer Kicker erwiesen, dass man ihm dieses 53-Yard-Field-Goal ohne weiteres zugetraut hätte. Tomlin entschied sich für die schlechtere Feldposition für die Falcons.
Der Head Coach machte damit alles richtig. Pressley Harvin III gelang ein wunderbarer Punt, den die Coverage-Unit an der 2-Yard-Linie der Falcons sicherte. Nun musste Mariota, der bisher durch die Luft nicht überzeugen konnte, die Steelers-Defense also mit dem Pass schlagen. Minkah Fitzpatrick wartete nur darauf.
Fazit: Da ist noch viel „Fleisch am Knochen“, wie es Tomlin zu sagen pflegt. Zur Pause hätte es mindestens ein Touchdown mehr sein dürfen. Warum die Offense, je näher sie der gegnerischen Endzone kommt, immer schwächer wird, gilt es weiter zu analysieren. Ebenfalls ein Thema sollte sein, dass man nach der Pause erneut nachgelassen und den Gegner ins Spiel hat kommen lassen. Auch das ist kein neues Phänomen. Ebenso wenig, dass die Secondary viele Löcher aufweist – mit einem besseren Passing-Quarterback wäre es vermutlich anders ausgegangen, die Falcons ließen viel liegen.
Doch wir wollen positiv enden: Alles in allem setzte sich offensiv der Trend fort und man konnte den Ball zumindest bis in Richtung Redzone sehr gut bewegen. Zudem schaffte es Pickett erneut, kurz vor dem Ende einen Drive hinzulegen, der viel Zeit von der Uhr nahm und mitentscheidend war für den Erfolg. Vier von fünf Steelers-Siegen kamen so zustande. Und dann war die Defense in Person von Fitzpatrick letztlich da, wenn es drauf ankam.
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