Agree 2 Disagree

written by Henning Kutz
10 · 13 · 23

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agree to disagree

Es gibt immer Dinge, die die Franchise spalten. Unter der Grundfrage “Sollten die Steelers ihre Personalentscheidungen modernisieren und weniger fest an bestehenden Strukturen festhalten?” haben wir vier Thesen gesammelt, zu denen Tobi und Hen ihren Standpunkt teilen.

“Sollten die Steelers weiterhin eher intern befördern oder verstärkt Coaches von anderen Franchises abwerben?”

Hen

Kennt ihr das “Peter-Prinzip”? Nein? Sehr gut. Es besagt, dass Menschen in einer ausreichend komplexen Hierarchie so lange befördert werden, wie sie auf der bisherigen Position erfolgreich sind, bis sie eine Position haben, auf der sie nicht mehr erfolgreich sind. Das Ergebnis davon ist, dass nach einer gewissen Zeit jede Position in der Organisation von einer Person besetzt ist, die für ihre aktuelle Aufgabe unterqualifiziert ist. Ich sage nicht, dass das bei den Steelers aktuell so wäre, aber die Gefahr ist zumindest da.

Grundsätzlich bin ich pro Leistungsprinzip. Für jeden Posten sollte zu jeder Zeit der am besten geeignete Mensch verpflichtet werden. Wenn das heißt, dass das auf einen internen Kandidaten zutrifft, soll es so sein. Es geht mir nicht um Einzelpersonen, im Vordergrund steht immer der Erfolg der Pittsburgh Steelers.

Das Stichwort hier ist progressiv. Und es geht nicht darum, etwas anders zu machen, nur damit man etwas anders gemacht hat. Betriebsblindheit existiert und ein frischer Wind kann durchaus gut tun. Nur weil es bisher durchschnittlich gut funktioniert hat, bedeutet das im Umkehrschluss nicht, dass ein Abweichen vom Plan automatisch Misserfolg bringt. Dabei geht es auch um neue Impulse und das Verlassen der Komfortzone. Kann ja durchaus auch mal gut für das bestehende Personal “oben drüber” sein, wenn da einer von außen kommt und vielleicht mal die ein oder andere unangenehme Frage stellt..

Auch wenn ich nachvollziehen kann, dass bei gleicher Qualifikation auf den internen Kandidaten zurück gegriffen wird, plädiere ich sehr dafür, mal die Augen nach links und rechts zu öffnen und vermehrt Wagnisse einzugehen, non-Steelers-Personen ins Team zu holen. Bei diesem Punkt bin ich übrigens der Meinung, dass diese Haltung potentielle Kandidaten abschrecken könnte, sich überhaupt zu bewerben. Ich möchte nicht wissen, welche guten Coaches den Steelers bisher durch die Lappen gegangen sind, weil bereits feststand, dass eine vakante Position intern befüllt wird.

Ich fordere nicht, dass man alle Werte, die diese Franchise auch ausmachen, sofort über Board werfen soll, aber man könnte zum Cheeseburger auch ruhig mal Curly Fries bestellen, anstatt jeden Tag normale Fritten zu essen. Mit der kürzlich angebrochenen Ära von Omar Khan, der in der Offseason bereits aktiver war als sein Vorgänger Colbert jemals gewesen ist, könnte man auch hier einen Paradigmenwechsel hin zu mehr Progressivität vollziehen.

Tobi

Bei dieser Frage geht es ja im Kern darum, dass man sich mit Personal von außen auch immer Wissen von außen in die eigene Franchise holt. Stichwort Betriebsblindheit. Und das stimmt. Die NFL und der Football im Allgemeinen bewegen sich sehr schnell und Teams fahren besser, wenn sie sich ständig weiterentwickeln und anpassen. Warum also sollte man nicht einfach jede freie Stelle mit Leuten von außen besetzen? Ganz einfach: Teamkultur. Und die Steelers sind sehr bemüht, die eigene Kultur im Team zu erhalten. Der “Steelers way” ist viel mehr, als einfach keine Leute zu feuern. Es geht um eine Grundhaltung vielen verschiedenen Dingen gegenüber. Und die halte ich auch für sehr wichtig. Sie ist einer der Gründe, warum ich so sehr hinter diesem Team stehe. Dieses Mindset bewahrt man intern am besten, wenn sich neues Personal langsam an die Organisation gewöhnen kann, bevor dieses dann in höhere Positionen mit mehr Verantwortung nachrutscht.

Es ist ja auch nicht so, als würde man sich nicht außerhalb der eigenen vier Wände umschauen. Die meisten Mitarbeiter im Front Office der Steelers hatten vorab Stellen bei anderen Teams inne: OC Matt Canada war Interim Head Coach an der University of Maryland und DC Teryl Austin arbeitete bei den Lions und Bengals als Coordinator, bevor diese nach Pittsburgh kamen. In ihre heutigen Rollen wurden sie erst danach befördert. Dennoch sind sie zum damaligen Zeitpunkt ja nicht unwissend zu uns gelangt. Auch als Positionscoach, Coordinator oder Collegetrainer bringt man viel Wissen und frischen Wind aus anderen Teams mit.

Unter dem Strich halte ich es für sinnvoll, dass man für die wirklich wichtigen Positionen im Team lieber Leute vorzieht, die man bereits kennt und bewerten kann, als jemanden von außen zu holen und damit unter Umständen komplett daneben zu liegen. Das setzt natürlich voraus, dass man intern auch jemanden hat, der diese Stelle übernehmen kann und als dafür fähig eingeschätzt wird. Coach Tomlin wurde damals direkt für den Posten des Head Coaches von außen abgeworben. Ein klares Zeichen, dass man eben nicht nur aus Prinzip intern befördert, sondern sich auch für die großen Positionen extern umsieht, wenn dies notwendig sein sollte.

Gänzlich vor Fehlentscheidungen schützen kann man sich aber natürlich nie. Immerhin hat es Matt Canada trotz interner Beurteilung auf einen Posten geschafft, dem er, mit dem Wissen von heute, offensichtlich nicht gewachsen ist. Auf der anderen Seite war der Aufschrei unter Fans aber auch groß, als Kevin Colbert seine Stelle des General Managers intern an Omar Khan weitergab. Eine Entscheidung, die heute keiner mehr wirklich anzweifelt, oder?

“Wirkt sich eine progressive Haltung mit schnelleren Personalwechseln abschreckend auf potentielle Bewerber aus?”

Hen

Nein. Es gibt einen Mittelweg zwischen den beiden Extrempositionen, Coaches schnell bei minimalem Misserfolg zu entlassen und Coaches – no matter what – ihre Verträge erfüllen zu lassen. Ich bin definitiv kein “Hire and Fire”-Guy, bin aber der Meinung, dass die Entscheidung, ob und wann Coaches gefeuert werden sollten, immer vom Einzelfall abhängt.

Natürlich hilft es, wenn Coaches wissen, dass ihr Job vergleichsweise sicher ist. Kein Coach sollte permanent das Damoklesschwert der Entlassung über sich schweben haben. Für mich ist das eher der sprichwörtliche Obstkorb in der Lobby, also ein Bonus. Faktoren wie Aufgabe und Perspektive fallen für mich deutlich stärker ins Gewicht. Die NFL ist ein Business und das Leistungsprinzip gilt auch für Coaches. Gute Leute haben ohnehin eine Jobgarantie.

Wenn die Franchise erkennt, dass eine falsche Entscheidung bei einer Verpflichtung getroffen wurde, dann muss man sich auch eingestehen können, dass es eine falsche Entscheidung war und dazu stehen.

Was für einen gilt, gilt für alle. Umgekehrt könnte es abschreckend wirken, wenn ein Coach weiß, dass auch an anderen Coaches quasi “zu lang” festgehalten wird und dadurch die ein oder andere Entwicklung blockiert wird.

Letztendlich bleibe ich bei “Wenn es nicht hilft, kann es weg.” So ist das Geschäft. Für mich ist es wichtig, dass von Fall zu Fall entschieden wird. Ich finde es gut, dass bei den Steelers andere Werte herrschen, aber ich bin grundsätzlich gegen ein stures “Das haben wir immer schon so gemacht.”-Denken und getroffene Entscheidungen müssen auch mal unangenehm sein.

Tobi

Generell geht es, wenn man von schnellen Personalwechseln oder konservativem Verhalten spricht, ja immer um Menschen, bei denen man nicht weiß ob und in welchem Maße sie sich noch entwickeln können. Gute Leute werden gehalten, schlechte müssen gehen…soweit so einfach. Charakteristisch für ein Team ist aber der Umgang mit denjenigen in der Mitte. Die bei denen man nicht weiß, ob sie ihren Durchbruch noch haben werden oder ob man sie besser jetzt als später gehen lässt. Im Schnitt sollte sich das über die Zeit ausgleichen. Der eine lässt ein paar Leute zu früh gehen, der andere hält ein paar zu lange, bevor der nötige Ersatz eingestellt wird. Klingt erstmal nach einer reinen Philosophiefrage. Nach einer Sache der Einstellung ohne eindeutiges richtig oder falsch.

Das ist aber eben nicht die ganze Wahrheit. Viele Prozesse benötigen im Football ihre Zeit. Zeit, die viele Teams nicht mehr gewillt sind zu investieren. Sprüche wie “Not For Long” oder “What have you done for me lately” sind längst Bestandteil unser aller Vokabular geworden. Versagen verboten! Das bringt viele Coaches in die Situation, einfache, schnelle Erfolge vorzuziehen. Man ist im Zweifel dazu gezwungen, sich jede Woche erneut von Notlösung zu Notlösung zu hangeln, um ja keine schlechten Ergebnisse zu produzieren, obwohl man bei vernünftiger Vorbereitung zu viel mehr in der Lage gewesen wäre. Die Steelers haben sich genau dafür entschieden. Man lässt Verträge lieber auslaufen, als sie aufzukündigen, und gibt Dingen die Zeit, die sie benötigen, um sich zu entwickeln. Ja, das führt auch dazu, dass man an anderer Stelle Umbrüche manchmal nicht rechtzeitig einleitet, obwohl sie notwendig wären. Man kann sich aber eben auch sicher sein, dass kein Potenzial verschwendet wird, weil Druck an den Stellen erzeugt wird, wo er zu schlechten Ergebnissen führt.

Mit all dem sendet man aber auch ein Signal an diejenigen, die diese Stellen in der Zukunft besetzen könnten. Wo denkt ihr, arbeitet ein Coach lieber? Unter permanentem Druck, Ergebnisse liefern zu müssen oder in einem Umfeld, das ihm Zeit gibt, die eigenen Prozesse, Strukturen und Personalien zu etablieren, um dann auf diesem Fundament aufbauen zu können? Die Steelers schaffen sich so ein sehr loyales Arbeitsumfeld in dem keiner davon ausgehen muss, dass ihm von heute auf morgen ein Messer in den Rücken gesteckt wird, weil die Unit unter dessen Aufsicht 2 oder 3 schlechte Spiele hatte. Ein Faktor, den potenzielle Bewerber schätzen und berücksichtigen, wenn sie sich für ein Team entscheiden sollen.

Darüber hinaus halte ich ein solches System, in dem man, ganz unamerikanisch, nicht plötzlich von heute auf morgen auf der Straße sitzt, weil nicht sofort und ununterbrochen gute Ergebnisse vorliegen, langfristig für besser und leistungsfähiger. Man hört eben immer nur von denen, die negativ auffallen. Die, die zu lange bleiben. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir auf der anderen Seite aber auch Personal im Front Office haben, das einen sehr guten Job macht, eben weil man ihnen Zeit gegeben hat, sich zu etablieren, bevor man sie an Ergebnissen misst. Personal, das es vielleicht in anderen Franchises erst gar nicht auf diesen Posten geschafft hätte, weil man dort schneller den Finger am Abzug hat.

Soviel also zur Grundhaltung der beiden. In Teil 2 (erscheint morgen) geht es dann ans Eingemachte. Es geht um konkrete, aktuelle Fälle und es geht um Namen. Ihr dürft gespannt bleiben…

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